Zwischen Nasiballen, Nebelwurst und Neue Deutsche Wellen

Interview mit Kroes den Bock

Ein Gespräch geführt von Dr. Waldemar Knöterich, Redakteur bei Klangfarbenpostille

Knöterich: Herr den Bock, es ist bekannt, dass Sie eine ungewöhnlich innige Beziehung zur deutschen Musik haben. Wann hat das angefangen?

Kroes den Bock: Also das fing ganz plötzlich an, eines Morgens im Jahre 1998, als ich versehentlich den Fernseher auf ZDF gelassen hatte. Da lief gerade Hitparade der Volksmusik, und es sang ein Mann mit einer Frisur wie ein explodierter Maulwurf. Ich war fasziniert. Ich dachte: „Wenn das Musik ist, dann will ich auch!”

Knöterich: Und doch sagen viele, Ihre eigentliche Erweckung kam mit einem gewissen Song?

Kroes den Bock: Ja! (lacht laut) Meine Näbber von Günther Hässelhof hat mich im wahrsten Sinne des Wortes wachgeküsst. Ich war gerade in Bremen in einer veganen Pommesbude, da lief das Lied über die Lautsprecher. Ich stand da mit einer halben Apfelschorle und einer Nasibal in der Hand und dachte: „Das ist es. Das ist mein Lied.”

Knöterich: Für unsere Leser: Was ist eine Nasibal?

Kroes den Bock: Das wissen ja viele nicht. Eine Nasibal ist eine mysteriöse niederländische Delikatesse – eine Art gebratene Reisbällchenbombe mit Ragoutfüllung, die aussieht wie ein geplatzter Komet aus dem Frikandellensystem. Niemand weiß genau, was drin ist, aber jeder, der sie probiert, hat das Gefühl, seine Mutter rufe ihn durch ein altes Bakelittelefon zurück ins Wohnzimmer der Kindheit.

Knöterich: Und dieses Erlebnis verband sich mit Meine Näbber?

Kroes den Bock: Absolut. Es war wie ein Audio-Halluzinogen. Günther singt ja da mit einer Stimme, die klingt, als würde eine Waschmaschine Gedichte von Rilke singen. Dazu dieser sphärische Synth-Teppich, als hätte jemand Jean-Michel Jarre in einen Koffer gesteckt und geschüttelt.

Knöterich: Das Stück Meine Näbber galt bei vielen als Stilbruch auf dem Album Bubbümsenmüde. Was hat Sie gerade daran so beeindruckt?

Kroes den Bock: Das ist eben das Geniale! Bubbümsenmüde ist sonst eine Sammlung von Polka-Techno-Hybriden mit Titeln wie Oh, Schwulfürst von Schlüpferland und Hey Ludwig, meine Bube ist schmutzig. Aber Meine Näbber – das ist plötzlich ernst. Günther singt da über seinen Nachbarn, der anscheinend gar kein Mensch ist, sondern ein metaphysisches Wesen aus Mayonnaise und Putzfrauentrauer. Ich meine – wer macht sowas? Das ist Dichtung!

Knöterich: Was empfinden Sie generell gegenüber deutscher Musik?

Kroes den Bock: Ich bewundere den Mut zur Peinlichkeit. In keinem anderen Land kann ein Mann in Leopardenleggins mit Laserschuhen auf einer Bühne stehen und dabei vollkommen ernst dreinschauen. Das ist eine kulturelle Leistung. In Holland würde man ihn in eine Tulpenvase stecken und vergessen.

Knöterich: Gibt es weitere deutsche Künstler, die Sie inspiriert haben?

Kroes den Bock: Ja, ich liebe zum Beispiel die Band Wurstplanet. Die machen so eine Art ambiente Grillcore – also Musik für den Bratwurstkonsum bei Sonnenuntergang. Und natürlich DJ Lebertran, der hat mir gezeigt, wie man aus rohen Kartoffelgeräuschen eine ganze Symphonie bauen kann.

Knöterich: Sie haben auch einmal einen Song über Ihre Reise nach Wuppertal geschrieben.

Kroes den Bock: Der Schwebebahnblues, ja. Es war meine Hommage an die einzige Stadt, in der man im Hängen pendelt und dabei das Gefühl hat, man schwebe über seine eigenen Existenzängste. Ich traf dort einen Mann namens Horst, der mir erzählte, dass er sein gesamtes Leben in einer Waschmaschinenkartonwohnung unter der Schwebebahn verbracht hat. Das war sehr inspirierend.

Knöterich: Viele Ihrer Lieder enthalten deutsche Worte. Warum?

Kroes den Bock: Das Deutsche ist wie ein überdimensionierter Werkzeugkasten: klobig, aber effektiv. Ein Wort wie Kummerspeck kann man nicht übersetzen. Es ist ein ganzes Drama in einem Wort. Ich glaube, die deutsche Sprache ist eine Art akustisches Gebiss: Man muss sich daran gewöhnen, aber dann kann man alles zerkauen – sogar Gefühle.

Knöterich: Glauben Sie, Günther Hässelhof weiß von Ihrem Fan-Dasein?

Kroes den Bock: Ich hoffe nicht. Ich habe ihm einmal einen Brief geschrieben, aus Ziegenleder, mit einem beiliegenden Nasibal als Zeichen meiner Verehrung. Aber ich habe nie Antwort erhalten. Vielleicht hat der Zoll den Ball für eine Biowaffe gehalten.

Knöterich: Würden Sie mit ihm ein Duett singen?

Kroes den Bock: Ich träume davon. Ich stelle mir vor, wie wir gemeinsam in einem ostdeutschen Radiostudio stehen, begleitet von einem Chor aus heulenden Haushaltsgeräten. Wir würden ein Lied singen namens Krautverbot – eine Ballade über die misslungene Sauerkrautreform von 1973.

Knöterich: Zum Schluss: Wenn Sie Deutschland mit einem Gericht vergleichen müssten, welches wäre das?

Kroes den Bock: Deutschland ist wie ein halbkalter Kartoffelsalat mit philosophischer Tiefe. Erst denkt man: „Warum?”, dann schmeckt man Melancholie, Präzision und eine Prise Nostalgie – und plötzlich versteht man: Das ist kein Salat. Das ist eine Erkenntnis.

Knöterich: Herr den Bock, ich danke Ihnen für dieses außergewöhnliche Gespräch.

Kroes den Bock: Es war mir ein Nasiball!

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